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CD Bonjour de la Ruhr

Neue Impulse

Dem Repertoire für Gitarrenquartett neue Impulse zu verleihen, das hat sich das GuitArtist Quartett anlässlich des Kulturhauptstadt-Jahrs vorgenommen und bei sieben Komponisten Werke in Auftrag gegeben, die im April uraufgeführt wurden. Zeitgleich ist die CD „Bonjour de la Ruhr“ erschienen, auf der nun begutachtet werden kann, was in dieser Besetzung möglich ist. Von konventionellen, die fragile Klangfülle gekonnt auskostenden Stücken reicht das Spektrum über dezente Verfremdungen (in Ralf Kaupenjohanns „Purkat“, einer Bearbeitung eines jiddischen Liedes) bis hin zu Gerhard Stäblers „Aufschläge“: Die alternativen Klangerzeugungen seines Stücks - eingerahmt von Kunsu Shims zweiteiliger Akkordstudie - ergeben vervielfacht eine zwischen dichten Geräuschtexturen und fein gesetzten Einzelereignissen anregend changierende Momentaufnahme. Ausgezeichnet gespielt.

Juan Martin Koch, nmz Ausgabe 5/10-59. Jahrgang

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Pressemitteilung

Wissenwertes zur CD

Stefan Heucke: „Il Giardino Divino“
„Il Giardino Divino“ (Der himmlische Garten – Das Paradies) ist eine Transkription des instrumentalen Schlussstücks des Märchens „Der Selbstsüchtige Riese“ für Sprecher und Orchester op. 20 nach dem Märchen von Oscar Wilde, die ich 2008 auf Wunsch des GuitArtist Quartetts für ihr Projekt „Bonjour de la Ruhr“ anfertigte.

Es handelt sich um eine ruhig fließende Passacaglia (Variationssatz), die ein zwölftöniges Grundthema 24 Mal bearbeitet und sich dabei von der Einstimmigkeit zur Fünfstimmigkeit und zu immer lebhafterer Bewegung und immer komplexeren rhythmischen Verbindungen verdichtet.

Im Märchen vollzieht das Stück die Verklärung des toten Protagonisten musikalisch nach, und eine solche Assoziation ist sicherlich auch für die Instrumentalfassung naheliegend. (Stefan Heucke, 2009). Weitere Informationen zu Stefan Heucke im Internet: www.heucke-stefan.de

Ralf Kaupenjohann: „Purkat“
Als der Gitarrist Guy Bitan mich einlud, an dem Projekt „Bonjour de la Ruhr“ teilzunehmen, entschloss ich mich, ein jiddisches Lied für Gitarrenquartett zu arrangieren. Bei einem Kurs mit Alan Bern in Weimar hatte ich den „Yearning tune“ kennen gelernt. Die Aufnahme mit dem Rabbi Semuel Zalmenov, die in dessen Heim entstand, ging mir sehr unter die Haut, trotz ihrer technischen und musikalischen Schwächen. Allerdings musste ich ein Problem lösen: Warum vier Gitarren? Was können vier Gitarren, was nicht eine alleine oder ein Duo auch kann? Mit meinem Arrangement habe ich versucht, einige Antworten auf diese Frage zu finden, auf klanglicher, struktureller, rhythmischer und kommunikativer Ebene.

Der „Prolog“ stellt den Refrain des Liedes in einem klanglichen Gewand vor, das ich vor vielen Jahren durch den französischen Akkordeonisten und Komponisten Alain Abbott kennen gelernt habe und gelegentlich auch in mein eigenes Musizieren einfließen lasse. Dieser Prolog geht nahtlos über in eine freie Improvisation für vier präparierte Gitarren. Bei der Präparation habe ich mich durch den Titel von Erik Saties „Sonatine bureaucratique“ inspirieren lassen und für die Präparation Büroklammern, Kugelschreiber etc. ausgewählt. Ansonsten hat dieser Teil mit der neoklassischen Miniatur des Franzosen absolut nichts zu tun.

Der Hauptsatz „Purkat“ läßt den Zuhörer im Unklaren über den Taktschwerpunkt. Die Strophe des Liedes erklingt und geht über in eine rhythmisch-harmonisch verschachtelte Struktur. Eine Reminiszenz an die Kulturhauptstadt 2010 ist in der Generalpause zwischen den Teilen eingewoben. Nach der Wiederholung der Strophe versiegt dieser Teil nach und nach.

Der „Epilog“ bringt den Refrain zweimal: Beim ersten Mal wird der begleitende Kontrapunkt abwechselnd von drei Gitarren ausgeführt, so dass jeder Ton natürlich ausklingen kann. Dasselbe Prinzip habe ich dann auch bei der strengen Harmonisierung in der Wiederholung angewandt. Es ergeben sich Klangüberlagerungen, die bei einer traditionellen Stimmaufteilung nicht auftreten könnten. (Ralf Kaupenjohann, 2009). Informationen zu Ralf Kaupenjohann im Internet: www.draj.de

 

Eckard Koltermann: „Sketches of Spam“
Das Gitarrenquartett „Sketches of SPAM“ entstand 2009 im Auftrag des GuitArtist Quartetts. Der Titel ist eine ironische Anspielung auf die legendäre „Sketches of Spain“ LP von Miles Davis und Gil Evans aus dem Jahre 1960. Die vier Sätze basieren auf harmonischen und melodischen Miniaturen, die zu mehr oder weniger melancholischen Stücken erweitert an Gedichte und Short Stories amerikanischer SPAM-Poeten erinnern sollen. Diese wählen die endlosen Weiten und die Anonymität des Internet als Plattform für ihre oft surrealen Kurztexte und Alltagsbeobachtungen. (Eckard Koltermann, 2009). Informationen zu Eckard Koltermann im Internet: www.eckard-koltermann.de

 

Pervez Mirza: „Wechselspiel“
Die Komposition „Wechselspiel“ für vier Gitarren besteht aus zwei Teilen, die gewissermaßen in einem spiegelsymmetrischen Verhältnis zueinander stehen. Teil 1 dauert ca. 4 Minuten und besteht aus 15 repetierenden Klängen. Jeder Klang überlappt sich mit dem vorherigen Klang, so dass es auf diese Weise immer wieder zu einem allmählichen und organischen Wechsel von dem einen Klang zum nächsten kommt. Im Verlauf des Gesamtprozesses steigen die Klänge stets höher und werden kontinuierlich leise, wobei der Wechsel von Klang zu Klang fortwährend schneller wird. Im Teil II, der auch 4 Minuten dauert und aus 15 repetierenden Klängen besteht, werden diese Verhältnisse umgedreht. Die Klänge wandern von den oberen Lagen nach unten und werden immer lauter, während sich die Tempi der Repetitionen in einem Zustand des Ständig-Langsamer-Werdens befinden. Hinzu kommt noch ein neues Element, das aus der Wiederholung eines einzelnen Tons besteht. Dieses führt dazu, dass die symmetrische Anlage etwas in Frage gestellt wird. (Pervez Mirza, 2009). Informationen zu Pervez Mirza im Internet: www.copy-us.com/?composer=mirza

 

Kunsu Shim: „dich in allen dingen“
wie bei einigen neueren arbeiten von mir ist „dich in allen dingen“ in zwei teile geteilt, wobei beide teile nicht unmittelbar aufeinander gespielt werden, sondern als ein paar wie ein prolog und epilog oder als zwei intermezzi, mit einem zeitlichen abstand gespielt werden. beide teile gleichen sich in vielen parametern, d. h. beim hören des zweiten teils sollte man erahnen können, wie er verläuft, also, vielleicht wie ein „déjà vu“...

jeder eil enthält 16 klänge, die sich unterschiedlich wiederholen. die anzahl der wiederholungen eines klanges steigert sich während des verlaufs eines teils, so dass die klänge in der art eines ritardandos wirken, das immer mehr quasi zu stillstand führt. das ende eines teils kann also dann erreicht sein, wenn der zustand eines stillstands – gleich einem raum – zu einer reinen bewegung ohne richtung geworden ist. musik schafft für mich mittels zeit einen raum, in dem ich die klänge, im erweiterten sinne die dinge, als ein „du“ wahrzunehmen vermag. (kunsu shim, 2009). Informationen zu Kunsu Shim im Internet: www.kunsu-shim.de

 

Gerhard Stäbler: „Aufschläge“
„Titel“ zu Kompositionen fliegen einem manchmal zu, vielleicht weit vor der Arbeit an einer Komposition, manchmal bleiben sie bis zum Schluss auf der „Strecke“: Das Stück ist fertig und weiß ihn noch nicht. Bei „Aufschläge“ war dies anders: er entwickelte sich parallel zur Bitte und den Gesprächen über eine Arbeit für das GuitArtist Quartett – und ad libitum „Massen“ von Gitarristen, Gitarrenschülern, die als Idee darin „aufblitzten“, da alle Mitglieder des Quartetts sich auch als Pädagogen betätigen. Der Titel akzentuiert vor allem eine Auseinandersetzung mit dem Instrument „Gitarre“, dessen gezupfte, gerissene, angeschlagene Klänge wie Aufschläge eines Balles im Nu verklingen und mit ihren fast gehauchten Flageoletts liebevoll zart sein können, in ihren Tambura-Passagen aber auch aggressiv, das Leben „herausschlagend“. Was mir vorschwebte, war, diesen Welten von Klängen nachzuspüren und sie zum Verweilen zu bewegen: Der Klang selbst ist also das Thema, massive Klangballungen ebenso wie feinste Vibrationen, denn „Aufschläge“ selbst können die verschiedensten Charaktere von Klängen generieren: metallische, hölzerne, luftige, schwere ... Oder sie können Klänge „auf-schlagen“ – wie Bücher, um in sie hörend eindringen zu können.

Doch in „Aufschläge“ schwingt auch anderes mit, nämlich das Plötzliche, das Überraschende – und: das Aufschlagen, das sich Potenzierende, das im alltäglichen Leben sich bedauerlicherweise permanent Fortsetzende, das Kumulieren und Anhäufen. „Gitarren“ reizten mich also nicht nur hinsichtlich ihrer üblichen Klänge, sondern auch der verschiedenen dauerhaften Klangstrukturen wegen, die man durch Hilfsinstrumente wie „Bottlenecks“ (Flaschenhälse) oder Bögen erzeugen kann, die Gitarren gleichsam zu Streichinstrumenten verwandeln. Mit vier Sologitarren oder gar ganzen Gruppen von Gitarren lassen sich so feingliedrige Klangkomplexe schaffen, die zudem noch durch ihre reichere Besaitung als die üblichen Streichinstrumente verdichtet erscheinen.

In der großen Besetzung mit Gruppen von Gitarristen, verteilt im Raum, wie auf engerem Areal in der kleinen solistischen Vierergruppierung passieren strukturell immer wieder „Aufschläge“, die auf vielseitige Weise aufgegriffen, beantwortet, zurückgegeben werden und damit Gespräche eröffnen ... Der Titel selbst also markiert hier die Essenz der Komposition – eine mögliche Art einer Komposition einen charakteristischen Namen zu geben, eine konzentrierte Identität. (Gerhard Stäbler, Dezember 2009) Informationen zu Gerhard Stäbler im Internet: www.gerhard-staebler.de

Markus Stollenwerk: „Big Bang!“
In „Big Bang!“ Wird das Gitarrenquartett beinahe zur Bigband. Aber eben nur beinahe. Und ebenso beinahe ist die Musik. Gestus, Harmonik und Skalen erinnern an eine Musik für Bigband – Anspruch hierauf wird jedoch zu keinem Zeitpunkt erhoben. „Big Bang!“ ist ein Stück, das darauf abzielt, ein hohes Maß an Spielfreude, an Freude am „Verkleiden“, am Spielen miteinander zum Ausdruck zu bringen. Nur spielerisch oder spielend kann es gelingen, die Aussichtslosigkeit der Situation, in eine andere Gestalt schlüpfen zu müssen, zu meistern. Und wie beim Spielen darf man alles eben nicht immer ganz so genau nehmen! (Markus Stollenwerk, 2009) Informationen zu Markus Stollenwerk im Internet: www.markus-stollenwerk.de

Guy Bitan: „Bonjour de la Ruhr“
„Bonjour de la Ruhr“ ist ursprünglich als Auftragskomposition für das Zupforchester Kirchhellen entstanden und wurde als Begrüßungsstück auf einer Frankreichreise uraufgeführt. Von diesem Werk habe ich zwei weitere Arrangements angefertigt: Eine Version für Akkordeon und Gitarre und die auf dieser CD eingespielte Fassung für vier Gitarren. Die in drei Teile gegliederte, beschwingte 6/8-Takt-Komposition ist orientiert an dem aus Frankreich stammenden musikalischen Genre des „Valse Musette“.  Als die Idee geboren wurde, Komponisten des Ruhrgebiets im Jahr 2010 Werke für das GuitArtist Quartett schreiben zu lassen, war es fast selbstverständlich, diesem faszinierenden Projekt den Namen „Bonjour de la Ruhr“ zu geben. (Guy Bitan, 2010)
Informationen zu Guy Bitan im Internet: www.bitan.eu

 

Ingo Brzoska: „Toccatina“
Schon immer haben mich die Toccaten der Barockzeit fasziniert mit ihrer Mischung aus virtuosem Laufwerk und ruhigen Passagen. In der „Toccatina“ habe ich diese Elemente in einer dreiteiligen Form verarbeitet: Ein motorisch bewegter Teil umrahmt einen ruhigen Mittelsatz, der der treibenden Bewegung des Eröffnungs- und Schlussteiles einen Ruhepunkt entgegensetzt. (Ingo Brzoska, 2008)

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